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Die Game Boy Story

1989 hat der kommerzielle Siegeszug der ersten Gaming Handhelds begonnen. Ganz vorne war Nintendos Game Boy. Damit hat eine Generation mobilen Spielespaß verknüpft.

Atari Lynx: er(n)ste Konkurrenz für Nintendo?

Als Nintendo mit dem Game Boy 1989 auf den Markt gekommen ist (in Europa 1990), gab es keine ernstzunehmende Konkurrenz. Eine schier nicht endenden wollende Spiele Bibliothek, praktisches Zubehör und einige der bekanntesten Spiele überhaupt sind für diese Plattform erschienen. Aber technisch gehörte der Game Boy nicht zum Spitzenfeld, was damals machbar gewesen wäre. Es schien, als wäre er ein Kompromiss zwischen Preis, Leistung und praktischer Anwendung (ungeschlagene Batterie Laufzeit durch sein verhältnismäßig sparsames Monochrom Display). Diese Lücke nach obenhin wollte Atari mit dem Lynx schließen. Und der Lynx hatte dafür weitaus bessere – grafische - Voraussetzungen, als der Game Boy. Diese haben sich jedoch nicht auf den ersten Blick erschlossen: Denn Ataris Konsole wirkte klobiger, brauchte 6 Batterien damit das Farb-LC Display nicht dunkel geblieben ist und darüber hinaus hat selbiges auch eine geringere Auflösung als der Game Boy geboten. Aber diese ist in Farbe gewesen! Doch würde das reichen, damit sich Spieler gegen den Game Boy entscheiden? Dabei sollte für den anspruchsvollen Spieler 1989, also zur Zeit der 4ten Videospiel Generation, die Entscheidung denkbar einfach sein: Eine mobile Konsole, die zu dieser Zeit eben unterwegs mehrere Farben und für diese Zeit überragende grafische Fähigkeiten geboten hat? 16 Farben aus einer 12-Bit Palette? Doch zu einem Preis in Form eines Nachteils, den eben nicht jeder Spieler bereit gewesen ist zu bezahlen: 5 Stunden für damalige Verhältnisse an kompromisslosem Spielespaß unterwegs, hat einen Satz Batterien verschlissen – bestehend aus 6 x AA Zellen. Alternativ kann man den Luchs auch mit einem Universal Netzteil füttern. Dann braucht er ebenso 9 V bei einem Ampere. Und die Konkurrenz? Naja, der Game Boy hat mit seinem monochromen Display ohne Hintergrund Beleuchtung und der sparsamen CPU lediglich 4 AA Zellen gebraucht. Dafür aber bis zu 30 Stunden Spiele Spaß geboten!
Doch die grafischen Fähigkeiten sind nur ein Teil der Erfolgsgeschichte einer Konsole: denn die beste Konsole ist wenig wert, wenn die Spiele Bibliothek nicht ansprechend ist. Nintendo hat dies schon sehr früh gelernt und einige AAA Serien im Sortiment gehabt. Aber Atari? Wer ist Atari noch einmal gewesen? Ah, die haben doch Ende der 1970er mit ihrem Atari 2600 so richtig im großen Stil den Videospielmarkt mitbestimmt! Also da sollten doch einige gute Titel im Sortiment sein, die man für den Luchs überarbeiten und mitnehmen könnte. Und so ist es eigentlich auch gewesen. Doch die Geschichte hat uns gezeigt: erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

1989 - der große Luchs: Atari Lynx

CPU: "Mickey" auf einem MOS 6502 basierende 8-Bit CPU im VLSI Design (bis zu 4 MHz / ∅ 3,6 MHz)
RAM: 64 KB
Farben: 4-Bit (16 Farben) aus einer 12-Bit Palette (4096 Farben)
Auflösung: 160 × 102 / 0,016 MP ( bis 75 Hz ) ( 80:51 oder 1.57:1 )
Display Größe: 3,5"
Video RAM:  
Audio: 4 Channels, 32-Bit DAC (8-Bit x 4 Channels)
Abmessungen: 270 x 98 x 38 mm (H x B x D)
   
Medium: ROM Cartridge mit maximal 1 MB
   
Verkaufte Einheiten: 2 Millionen
Eine typische Printwerbung für den Lynx

Ursprünglich wurde der Lynx, als „the Handy“, 1986 von Epyx begonnen zu entwickeln. Einem Spiele Entwickler aus San Francisco, welcher u.a. für die Spiele „4 x 4 Off-Road Racing“, „Barbarian“ und auch „California Games (II)“ bekannt gewesen ist. Und zwar von zwei ehemaligen Entwicklern für den Amiga: RJ Mical und Dave Needle. Allerdings wurde die unfertige Entwicklung aufgrund der hohen Entwicklungskosten an Atari verkauft. Dabei hat Epyx zuerst Nintendo und danach Sega den Deal angeboten, die Konsole anteilig zu übernehmen und zu vermarkten. Aber beide Firmen haben entsprechend abgelehnt. Nintendo ist nur wenige Monate vor dem Release des Game Boys gestanden und Sega hat bereits ebenfalls Pläne gehabt. So ist Atari in den angebotenen Deal eingestiegen. Tragischerweise hat dies aber nicht das Fortbestehen Epyx gesichert – sie haben am Ende des gleichen Jahres entsprechend Bankrott erklärt. Atari, die zu diesem Zeitpunkt nach zwei gescheiterten Konsolen (dem 2600er Nachfolgern Atari 5200 und Atari 7800) und dem langsam schwindenden Ruhm der 8-Bit Ära dringend frischen Wind gebraucht haben, haben die Konsole mit dem wenig klingenden Namen „Compact Video Game System“ auf der CES 1989 vorgestellt. Manche vermuten, es sollte auf Nintendos Entertainment System (NES) anspielen und das Vermarktungsfahrwasser eben des NES und des Game Boys nutzen können. Andere mutmaßen, dass vielleicht der Name dann doch zu sehr nach Nintendo geklungen hat und die Rechtsabteilung Ataris hier einen Einspruch erhoben hat. Auf jeden Fall ist das fertige Produkt dann als doch als „Lynx“ am Markt erschienen. Ein besonders interessantes Feature des Lynx, ein Alleinstellungsmerkmal, ist seine Möglichkeit gewesen sowohl rechts- als auch Linkshänder problemlos zu bedienen. Denn man konnte alle Spiele in der Ausgabe um 180° über eine Tastenkombination drehen und somit ein zweites Paar Knöpfe spiegelverkehrt nutzen. Darüber hat der Lynx eben deutlich überlegene Grafikfähigkeiten an sich, verglichen mit Nintendos mobiler Flaggschiff Konsole, mitgebracht. So haben die Entwickler Jay Miner und Dave Morse das Duo „Mickey“ (CPU) und „Suzy“ (GPU) entworfen. Während „Mickey“ eine VLSI 8-Bit CPU (auf einem MOS 6502 basierend) gewesen ist, hat man sich für „Suzy“ für ein komplettes 16-Bit „Custom“ Design entschieden. Gerade in der GPU haben sich eine Vielzahl, in Hardware, abgebildeter Funktionen befunden, die diesen manchmal fälschlich als „3D Chip“ titulieren lassen. Aber in Wahrheit hat die GPU eben Hardware Scrolling, Blitter Sprites mit Kollisionserkennung, Hardware Dekodierung von komprimierten Sprites und, „last but not least“, auch Hardware Manipulationen von Sprites in Bezug auf Skalierung, Verzerrungen und Drehungen. Um aber Software für den Lynx zu entwickeln, hat man Amigas kaufen müssen. Von Ataris Erzrivalen Commodore.

Pin Layout eines Atari Lynx Moduls

Des Luchs Game Module sind zuerst sehr flach gewesen. Ausgerichtet auf eine sehr gute Fähigkeit sie gestapelt aufzubewahren. Allerdings hat sich der Spielewechsel und die sperrige Klappe auf der Rückseite als unnötig hinderlich erwiesen. Dieser Probleme hat sich Atari natürlich angenommen und die Module sind im Laufe überarbeitet. Wie den Lynx selbst. Das zweite Design der Module wird das „tabbed“ oder „ridged“ Design genannt. Jedoch hat das zweite Design wieder das Problem aufgeworfen, dass die Module nicht ordentlich gestapelt werden haben können. Das ist daran gelegen, dass Atari dem ursprünglichen Design zwei kleine Ohren hinzugefügt hat, damit man sie eben leichter aus dem Luchs bekommt. Doch damit haben sich diese Module allen sinnvollen Versuchen widersetzt, sie einfach ablegen zu können. Also haben sich die Designer noch einmal ans Zeichenbrett begeben und eine dritte Variante entworfen: die sogenannten „curved Lip“ Module. Zwar kann man sie nicht problemlos stapeln, aber durch die gebogene Lippe am Ende lassen sich diese Module sowohl einfach entfernen, als auch verwahren. Die ROM Module haben eine Größe von 129 KB, 256 KB, 512 KB und 1 MB haben können. Heute gibt es eine immer noch sehr aktive Homebrew Community, welche neue Spiele für den Lynx schreibt. Daher sind Anleitungen für dessen Hardware sehr detailliert mittlerweile vorhanden.

1991 – der Luchs wird kompakter: Der neue Lynx oder Lynx II

CPU: "Mickey" auf einem MOS 6502 basierende 8-Bit CPU im VLSI Design (bis zu 4 MHz / ∅ 3,6 MHz)
RAM: 64 KB
Farben: 4-Bit (16 Farben) aus einer 12-Bit Palette (4096 Farben)
Auflösung: 160 × 102 / 0,016 MP ( bis 75 Hz ) ( 80:51 oder 1.57:1 )
Display Größe: 3,5"
Video RAM:  
Audio: 4 Channels, 32-Bit DAC (8-Bit x 4 Channels)
Abmessungen: 270 x 98 x 38 mm (H x B x D)
   
Medium: ROM Cartridge mit maximal 1 MB
   
Verkaufte Einheiten: 2 Millionen
Eine typische Printwerbung für den Lynx II in Deutschland

Der Verkauf des ursprünglichen Lynx ist nicht so erfolgreich vonstattengegangen, wie sich Atari dies gedacht hat. Der Game Boy ist nun einmal kompakter, handschmeichelnder und vor mit einer deutlich längeren Batterie Laufzeit gesegnet gewesen. Hier hat der Lynx II vor allem angesetzt: Durch Verbesserungen in der Fertigungstechnik hat das Gehäuse deutlich verkleinert werden können. Außerdem hat er nun Gummienden aufgewiesen, damit er deutlich angenehmer und rutschfester in der Hand gelegen hat. Damit die Laufzeit auch wirklich deutlich erhöht werden hat können, hat Atari dem Lynx II einen Stromsparmodi für das Display spendiert: Man hat die CCFL Röhre für die Hintergrund Beleuchtung nun ausschalten können. Sonst ist der Lynx vollständig ident geblieben. Eigentlich ein typisches Hardware Update zu jener Zeit: ein überarbeitetes Display und kompaktere Abmessungen. Während die inneren Werte gleichbleiben, damit man die Kompatibilität zur vorherigen Version nicht gefährdet. Der Lynx II ist hier keine Ausnahme von diesem Prinzip gewesen. Lediglich, neben den Verbesserungen des Displays, kann man hervorheben, dass Atari den monophonen Kopfhörer Anschluss gegen ein zeitgemäßes Stereo Modell getauscht hat. Außerdem hat man den Lynx II ohne Zubehör verkauft. So ist der Listenpreis in den USA bei 99 $ gelegen (entspricht in etwa 220 $ 2020). Wie man sehen kann, ist der Lynx II in Deutschland für 199 DM über den Ladentisch gegangen.

Ein Luchs bis zum Ende - und noch viel weiter

Bereits 1993 hat der heimliche Abstieg des Lynx begonnen. Atari hat seinen Fokus auf den bevorstehenden Lauch des Jaguars gerichtet. So sind nur mehr ein paar Spiele auf den Markt gekommen. Spiele wie z.B. Battlezone 2000. Doch die Lage von Atari, und der hinter den Erwartungen bleibende Erfolg des Lynx selbst, haben es immer schwieriger gestaltet, die aktuelle Generation an Videospielen noch entscheidend zu beeinflussen. Einige Retailer in den USA, wie Game und Toys „R“ Us haben den Lynx II gut bis Mitte der 1990er verkauft. Auch auf dem Rücken der Jaguar Veröffentlichung. Doch mittelfristig hat nicht einmal der reduzierte Preis geholfen, um entsprechend „competive“ zu bleiben. So hat Atari die Unterstützung für seine letzte, und einzige, mobile Konsole 1995 eingestellt. Offiziell hat der Luchs damit die ewigen Jagdgründe erreicht. Spätestens, nachdem Atari nach dem Kommerziellen Misserfolg des Jaguars 1996 alle Hardware und Spiele Entwicklungen eingestellt hat. Am 30 Juli 1996 ist Atari als Firma dann vollständig von der Bildfläche verschwunden (mit dem Merge mit JTS, Inc.). Oder vielleicht auch nicht? Denn bis heute ist die Community rund um die 30 Jahre alte Konsole sehr aktiv! Es werden immer wieder neue Homebrew Spiele veröffentlicht und auch Hardware Erweiterungen verkauft, die nicht nur den reibungslosen Betrieb der Spiele ermöglichen, sondern sogar die technischen Limits (Stichwort alle Spiele auf einer Cartridge) erweitern. Wie bereits für den Game Boy und auch Segas Game Gear, gibt es auch für den Lynx mit einigen Bastelgeschickt verbesserte Displays zum Einbau und einige Ersatzteile, die beide Versionen noch für viele Jahre fit machen dürften. Und auch wenn die Konkurrenten von damals auch heute vielleicht Dinosaurier sein mögen, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen, sind sie nicht tot. Kaum eine Konsole von damals weiß sich einem vorzeitigen Ableben so erfolgreich zu erwehren, wie der Luchs. Und dies, obwohl mit in Summe 2 Millionen verkauften Stück (weniger als die letzte Game Boy Variante micro), keinesfalls eine erfolgreiche Verbreitung in Dimensionen wie ein Game Gear oder gar der Gigant Game Boy, erreicht worden ist.
Dabei weiß ich es noch, als wäre es erst wenige Wochen her, wie ich meinen eigenen Lynx (den ursprünglichen Luchs), aus seiner Verpackung geholt habe. Zusammen mit 4 Spielen habe ich ihn in einem Geschäft 1992 mehr oder weniger zum Abverkaufs Preis erhalten. Unzählige Stunden habe ich damals mit California Games, Crystal Mines II, Double Dragon und S.T.U.N. Runner verbracht. Dem Power Connector sei Dank! Denn sonst wäre das Vergnügen sicherlich schneller teurer gewesen, als der Lynx samt Spielen.

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